Eine über 40-Jährige Entwicklung der Dienstleistungsverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland hat gezeigt, dass der Weg vom Obrigkeitsstaat hin zum Dienstleistungsstaat gelungen ist. Daseinsvorsorge statt Obrigkeit ist angesagt.
Der Umfang staatlicher Aufgaben und Leistungen ist keine ein für allemal festgelegte Größe. Öffentliche Leistungen sind in erster Linie am Gemeinwohl orientiert und nicht an Rentabilitätserwägungen, die ein Privatunternehmen notwendigerweise berücksichtigen muss.
Für technische Fachverwaltungen bedeutet dies eine gelungene Mischung von Ausführung, Lenkung und Überwachung, die sich gegenseitig bedingen. Eine "Nur -Überwachung" ohne eigenes Tätigwerden in der Sache bedeutet in kürzester Zeit Verlust des Praxisbezugs und damit die Unfähigkeit zur Ausübung der hoheitlichen Funktion, die dem öffentlichen Dienst niemand absprechen will.
Wir wehren uns nicht gegen eine sachgerechte Überprüfung staatlicher Dienstleistungen. Allerdings müssen die Vorgaben objektiv formuliert sein. Man muss sorgfältig prüfen, welche Leistungen der Staat für seine Bürger auch zukünftig zu erbringen hat und auf welche man verzichten kann. Dabei gibt es sicher auch Bereiche, die besser und kostengünstiger in privater Hand betrieben werden können. Leider wird aber derzeit zum Schaden der Bürger ein großangelegter Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen betrieben. Das Modewort vom "Schlanken Staat" erweckt falsche Hoffnungen. Die Folgewirkungen sind noch nicht abzusehen.
Deswegen fordert der BTB bei allen geplanten Privatisierungsmaßnahmen folgende Fragen zu berücksichtigen:
1. Ein dauerhaftes und flächendeckendes Leistungsangebot muss für jeden Bürger in gleichbleibender Qualität und zu vertretbaren Preisen gesichert sein. Das heißt:
Ist die Grundversorgung der Bevölkerung auch ohne Einschaltung der öffentlichen Hand in Zukunft gewährleistet?
2. Eine nachhaltige Entlastung der öffentlichen Haushalte muss sichergestellt sein.
Das heißt:
Ist ausreichend geprüft, dass weder der Steuerzahler noch der betroffene Bürger nach erfolgter Privatisierung mit höheren Kosten belastet werden?
3. Wirtschaftliche Chancen und Risiken müssen gerecht verteilt werden. Das heißt:
Ist garantiert, dass die privaten Tätigkeiten sich nicht nur auf gewinnbringende Bereiche konzentrieren, während die öffentliche Hand weiterhin die verlustbringende Grundversorgung sicherstellen muss?
4. Es dürfen keine privaten Monopole entstehen. Das heißt:
Ist der wirkliche Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern gewährleistet?
5. Durch Privatisierung darf kein Sozialabbau entstehen. Das heißt:
Ist sichergestellt, dass durch die geplante Privatisierungsmaßnahme den Versicherungsträgem keine Beiträge entgehen?
6. Bei Privatisierung muss die notwendige parlamentarische Kontrolle bestehen bleiben, denn auch bei Übertragung von Aufgaben aus der öffentlichen Verwaltung an Privatunternehmen bleibt die Verantwortung beim Staat. Das heißt:
Ist bei Privatisierung die Kontrolle der Aufgabenerfüllung durch Parlamente in Bund, Ländern und Gemeinden auch weiterhin gegeben, damit der Staat seiner Verantwortung gerecht werden kann?
Nur wenn alle diese Fragen bejaht werden können, kann auch der BTB einer Privatisierung in Teilbereichen nicht unbedingt entgegenstehen.