Der BTB ist die Fachgewerkschaft der Beschäftigten in den Bereichen Technik und Naturwissenschaft im öffentlichen Dienst.

Wir vertreten die Interessen unserer Mitglieder bei der Fortentwicklung des Dienst- und Besoldungsrechts und bringen unsere fachspezifischen Interessen auch in den Tarifverhandlungen ein.

Der BTB als Fachgewerkschaft ist Mitglied im dbb beamtenbund und tarifunion.

Eine Fachverwaltung nimmt eine Vorreiterrolle in der Umsetzung der KI ein!

KI im Bereich der Vermessung und Geoinformation


Seit den frühesten Anfängen ist die Fachdisziplin „Vermessung“ ein Vorreiter für Entwicklungen. Von der Erfassung unseres Planeten bis hin zur Beobachtung der Veränderungen der Erdoberfläche und der Folgen des Klimawandels – die Beschäftigten der Vermessung und Geoinformation blicken neugierig in die Zukunft. Sie sind immer noch wahre Entdeckerinnen und Entdecker!

Am 5. März ist der jährliche Tag der Vermessung und Geoinformation.
Mit Bezug zum Geburtstag des am 5. März 1512 geborenen Kartographen und Geographen „Gerhard Mercator“ sollen an diesem Tag die Bedeutung und die Errungenschaften der Vermessung und der Geoinformation hervorgehoben werden.
Der BTB-Bundearbeitskreis Vermessung hat sich diesbezüglich einer zukünftigen Thematik angenommen, nämlich der Einführung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Vermessungs- und Katasterverwaltung.

 Einsatz von KI in der niedersächsi-schen Vermessungs- und Katasterverwaltung

Seit über 4 Jahren wird im Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) eine Software entwickelt, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Gebäude in Luftbildern erkennen kann. Es war ein weiter Weg von den ersten Prototypen bis zur produktiven Anwendung.

Doch seit diesem Jahr wird die KI bei einem ersten Fachverfahren eingesetzt, indem sie den Menschen bei einer sehr mühevollen Aufgabe ersetzt.

Mit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 ist das Thema KI im Alltag vieler Menschen angekommen. Chatbots beantworten nicht mehr nur Fragen, sondern KI generiert vollständige Texte und realistische Bilder zu fast jeder Thematik. Die Qualität die die KI dabei abliefert ist häufig so gut, als hätte es ein Mensch geschaffen. 

Hinter ChatGPT und anderen vergleichbaren Chatbots stehen sogenannte Große Sprachmodelle (engl.: Large Language Modells, LLMs). Diese KI-Modelle wurden mit vielen Texten und Informationen trainiert und sind dadurch in der Lage menschliche Kommunikation aufgrund statistischer Werte nachzubilden. Die Entwicklung, das Training und die Anwendung solcher KI-Modelle gehören zum Fachbereich des „Maschinellen Lernens“, werden aber umgangssprachlich meistens einfach „KI“ genannt.


Maschinelles Lernen im Bereich der (Luft-) Bildanalyse

Auch im Bereich der (Luft-) Bildanalyse haben sich in den letzten Jahren Methoden des „Maschinellen Lernens“ durchgesetzt und erstaunliche Möglichkeiten geschaffen.
Im Bereich der Bildklassifikation kann die KI heutzutage zuverlässig unterscheiden, ob auf dem Foto z.B. eine Katze oder ein Hund zu sehen ist, sofern ausreichendes Bildmaterial für das Training genutzt wurde.
Ein anderes Anwendungsfeld ist die Objekterkennung. Hierbei erkennt die KI in den Kamerabildern z.B. Fahrzeuge, Personen oder andere Objekte. Dies ist beispielsweise für das autonome Fahren eine wichtige Fähigkeit.
Ein dritter Bereich der Bildanalyse, in dem KI zum Einsatz kommt, ist die Bildsegmentierung. Hierbei wird jeder Pixel eines Bildes anhand von Merkmalen klassifiziert, beispielsweise in die Klassen „Person“ oder „keine Person“. In der Medizin in „gesundes Gewebe“ und „krankes Gewebe“, in der Satellitenfernerkundung in die Klassen: „Wald“, „Siedlungsgebiet“, „Wasser“ oder „Agrarfläche“.

Bildsegmentierung/Pixeluntersuchung

Die erste KI, die im LGLN zum Einsatz kommt, gehört ebenfalls in den Bereich der Bildsegmentierung. Vereinfacht gesagt klassifiziert sie jeden Pixel eines Luftbildes in die Klassen „Dach“ und „kein Dach“. Somit ist es der KI möglich, die Lage und Form jedes aus der Luft sichtbaren Gebäudes zu erfassen. Genau genommen nutzt die KI dabei nicht die Luftbilder, sondern sogenannte Digitale Orthophotos (DOP), also auf eine Referenzfläche entzerrte und damit lagerichtige Luftbilder. Da heutzutage bei den DOPs ein digitales Oberflächenmodell als Referenzfläche verwendet wird, spricht man auch von TrueDOPs. In diesen sind auch die Dächer der Gebäude lagerichtig abgebildet und verdecken keine Bereiche neben den Gebäuden. Wie in den meisten Bundesländern haben diese TrueDOPs in Niedersachsen eine Bodenpixelgröße von 20 cm.

Jedem Pixel dieser TrueDOPs sind fünf Werte zugeordnet, die von der KI zur Gebäudeerkennung genutzt werden: Je einen Wert für die Farben Rot, Grün, Blau und Nahen Infrarot und ein fünfter Wert für die Höhe. Dieser fünfte Wert wird aus der Differenz zwischen einem Geländemodell und einem Oberflächenmodell berechnet und beschreibt die Höhe des Pixels über dem Geländemodell.


KI- Trainingsdaten

Bevor die KI jedoch in der Lage ist, bisher noch nicht erfasste Gebäude zu finden, muss sie für diese Aufgabe trainiert werden. Als Trainingsdaten werden dabei sehr viele Beispiele benötigt, wie sich Gebäude in den fünf jeweiligen Pixelwerten darstellen. Die Qualität einer KI hängt hier entscheidend von der Qualität und dem Umfang der Trainingsdaten ab. Für eine gute KI dürfen die Trainingsdaten nur wenige Fehler enthalten, müssen repräsentativ sein und sollten in ausreichender Anzahl vorliegen.

Oft ist die Erstellung oder Beschaffung solcher Trainingsdaten die größte Herausforderung bei der Entwicklung einer KI. Im LGLN existiert für die benötigten Trainingsdaten jedoch bereits eine sehr gute Grundlage: Im Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) sind Lage und Form fast aller Gebäude erfasst und seit 2023 ist ganz Niedersachsen erstmals vollständig mit TrueDOPs erfasst. Ein Geländemodell und ein Oberflächenmodell liegen ebenfalls bereits vor, sodass die fünf Werte pro Pixel flächendeckend ermittelt werden können.

Kombiniert man diese Datensätze aller Modelle, erhält man einen sehr großen Trainingsdatensatz, mit dem auch komplexere KI-Modelle trainiert werden können. Im LGLN werden die Daten genutzt, um KI-Modelle zu trainieren, die seit Ende 2022 auf einer Architektur basieren, die unter dem Namen „Polygonal Building Extraction by Frame Field Learning“ in Frankreich entwickelt wurden.

Für das Training solcher großen KI-Modelle werden sehr leistungsstarke Grafiksysteme mit großem Speicher benötigt. Das LGLN verwendet deshalb die für KI-Anwendungen die sehr verbreiteten NVIDIA A100-Prozessoren mit entsprechenden Subsystemen. Diese werden von der Cloud-Plattform CODE-DE für Behörden in Deutschland bereitgestellt und können auch vom LGLN genutzt werden.
 

Ergebnisanalyse

Im Ergebnis der neuesten KI-Generation zur Gebäudeerkennung, die vom LGLN trainiert wurde, sind die Gebäude mit einer sehr hohen Vollständigkeit und Korrektheit erkannt worden. Ein großer Vorteil der verwendeten KI-Architektur ist die exakte Erkennung der Gebäudegeometrie. Die KI zeichnet die meist eckige Form der Dächer sehr präzise nach.

KI im LGLN 
Um alle Gebäude in Niedersachsen zu finden, muss die KI rund 12.000 TrueDOP-Kacheln durchsuchen. Diese haben jeweils eine Größe von 2 km × 2 km. Mit den aktuell verfügbaren Cloud-Ressourcen dauert die KI-Gebäude-erkennung für ganz Niedersachsen ca. drei Tage. Diese Zeit ließe sich aber durch das Buchen weiterer Ressourcen nahezu beliebig reduzieren, wobei aber die Kosten-Nutzen-Relation zu berücksichtigen ist.

Für die allermeisten Gebäude in Niedersachsen ist Lage durch die klassische Gebäudeeinmessung / Grundriss bereits sehr genau bekannt. Ein wichtiger Nachbearbeitungsschritt ist daher die geometrische Verschneidung der bekannten Gebäude, die im Amtlichen Liegenschafts-Kataster-Informations-System (ALKIS) gespeichert sind, mit den Gebäuden, die durch die KI gefunden wurden. Die dabei entstehenden Differenzen sind für das LGLN eine sehr wertvolle Information.

Vereinfacht gesagt gibt es drei Arten von Differenzen:
1. Die KI hat ein Gebäude gefunden, das im ALKIS nicht existiert. Dies kann ein Hinweis auf einen Neubau sein.
2. Es gibt ein Gebäude im ALKIS, welches die KI nicht gefunden hat. Dies kann ein Hinweis auf einen Abriss sein.
3. Es gibt Unterschiede im Grundriss oder Lage eines Gebäudes. Dies kann ein Hinweis auf bauliche Veränderungen oder Verschiebungen sein. Letztere können durch inhomogene Lagekoordinaten in den ALKIS-Daten auftreten.

Diese von der KI gefundenen Hinweise auf Differenzen zwischen der im Luftbild abgebildeten Realität und dem im ALKIS gespeicherten Gebäudebestand sollen jeweils durch einen Menschen validiert werden. Dazu wurde im LGLN eine Web-Anwendung entwickelt, mit der die ermittelten Differenzen möglichst einfach betrachtet und bewertet werden können.  

Abbildung 2

Diese Anwendung wurde so entwickelt, dass sie aus Sicht der Nutzenden komplett im Browser gesteuert und dargestellt werden kann und durch die zentrale Verarbeitung keine besonderen Anforderungen an die vorhandene Hardware in den Katasterämtern stellt. Somit kann jede Kollegin und jeder Kollege des LGLN die „KI-Gebäude-erkennung“ nutzen. Bisher mussten die TrueDOPs und ALKIS-Daten systematisch nach Differenzen durchsucht werden. Dieser mühsame und wenig effiziente Arbeitsschritt fällt nun komplett weg, da die Differenzen dank der KI direkt angezeigt werden und nur noch validiert werden müssen.


Validierung der Ergebnisse

Bei der Validierung der Differenzen können die Bearbeitenden eine von drei Entscheidungen treffen:
1. Die erkannte Differenz ist korrekt und die ALKIS-Daten müssen aktualisiert werden oder
2. die erkannte Differenz ist zwar korrekt, aber das erkannte Gebäude ist nicht einmessungspflichtig.
3. die KI hat einen Fehler gemacht. Diese Fälle sind zwar für die Pflege der ALKIS-Daten irrelevant, sind aber ein wichtiges Feedback für die weitere Verbesserung der KI. Durch die Auswertung der Ergebnisse kann die Qualität der KI durch Mustererkennung in den fehlerhaften Daten verbessert werden.

Erkennt die KI beispielsweise häufig Eisenbahnwaggons fälschlicherweise als Gebäude, werden der KI beim nächsten Training mehrere TrueDOPs mit Eisenbahnwaggons gezeigt. Diese sind natürlich nicht als Gebäude klassifiziert. So lernt die KI die markanten Muster in den Daten, die einen Waggon von einem Gebäude unterscheiden.

Dieses Training durch Feedback und die ständige Verbesserung ist ein wichtiger Aspekt bei der Weiterentwicklung einer KI-Anwendung. Durch die praktische Anwendung werden automatisch zusätzliche Informationen gesammelt, die zum Training der KI genutzt werden können. Im Alltag ist dies bereits allgegenwärtig: Beim Einkaufen, beim Musikhören, beim Fernsehen, beim Scrollen in Sozialen Medien - durch unsere Nutzung von Apps trainieren wir KI-Modelle, der jeweiligen Anbieter, die diese Informationen zur personalisierten Werbung nutzen.

Auch im LGLN war dieses Konzept der ständigen Verbesserung der KI durch die Nutzung der Anwendung schon geplant, als im Januar 2020 gemeinsam mit der IBM Deutschland GmbH ein Projekt zur Entwicklung eines Prototyps für die KI-Gebäudeerkennung startete. Neben einem Proof of Concept, der Entwicklung der Anwendung und ihrer Grundlagen, war auch die Beschaffung leistungsstarker Cloud-Ressourcen sowie der Aufbau eigener Kompetenz zur modernen und agilen Softwareentwicklung Teil des gemeinsamen Vorhabens mit IBM.


geoLab KI-Team im LGLN

Im Januar 2021 wurde im LGLN das KI-Team gegründet, welches im Laufe des Jahres die KI-Gebäudeerkennung übernommen hat und seitdem unabhängig von IBM weiterentwickelt. Das KI-Team ist heute eines von 15 agilen, dezentralen Software-Entwicklungsteams des LGLN. Die Teams haben jeweils eine Zielgröße von 8-10 Personen. Entsprechend der IT-Strategie des LGLN setzen die Teams bei der Entwicklung neuer Produkte ausschließlich auf Open Source Software, also weitgehend rechtefreier und kostenloser Programme, und Cloud-Ressourcen, die keine örtlichen Hardware-Installationen benötigen. Auch das KI-Team setzt daher auf diese offenen, frei verfügbaren KI-Komponenten mit geringen Kosten.

Seit 2022 arbeitet das KI-Team sehr eng mit einer Projektgruppe im LGLN zusammen. Diese Projektgruppe aus Fachexpert/innen (i.d.R. Geodätinnen und Geodäten) organisiert die Einführung der Software an den über 50 Standorten des LGLN und trägt durch ihre Zusammenarbeit mit dem KI-Team wesentlich zur Weiterentwicklung der KI-Anwendung bei. Im Rahmen von wöchentlichen Arbeitstreffen wird jede neue Funktion der Projektgruppe durch das KI-Team vorgestellt. Außerdem wird in diesem Rahmen über mögliche Änderungen, Anpassungen und das Feedback der Nutzenden diskutiert.
 

Fachlichkeit trifft auf KI-Entwicklung 

Bei diesem Austausch fließt Wissen in beide Richtungen: Das Entwicklungsteam gewinnt einen tieferen Einblick in die fachlichen Prozesse unserer Behörde. Die Fachexpert/innen bekommen einen Überblick über die Entwicklung eines KI-Modells und lernen die Potenziale und Grenzen der KI beim Lösen eines konkreten Problems kennen. 

Das gewonnene, gemeinsame Verständnis ermöglicht es, eine Schnittstelle zwischen Mensch und KI zu entwickeln, die zur optimalen Lösung des technischen Problems führt: Eine KI-basierte Anwendung als Entscheidungshilfe für Experten mit einer einfachen Steuerung, dem sogenannten User-Interface.

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Darüber hinaus werden bestehende Arbeitsabläufe analysiert und mögliche Veränderungen durch den Einsatz von KI identifiziert und Anpassungen der Benutzeroberfläche ermöglicht. Dies ermöglicht der Projektgruppe die rechtzeitige Vorbereitung und Gestaltung neuer Prozesse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erfolgreiche Einführung der KI-basierten Anwendung in den produktiven Betrieb des LGLN maßgeblich durch die frühzeitige Einbindung von Fach-expert/innen und deren Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam vorangetrieben wurde. 

Einführung von KI außerhalb von Niedersachsen

Ziel des LGLN ist es, dass die KI-Gebäudeerkennung auch in anderen Bundesländern zum Einsatz kommt. In vielen Gesprächen mit anderen Vermessungsverwaltungen wurde deutlich, dass der Ansatz „Einer für Alle“ gerade für KI-Anwendungen der richtige Weg ist. Sowie andere Behörden in Zukunft die KI-Gebäudeerkennung vom LGLN nutzen werden, nutzt das LGLN vielleicht eine Baumerkennung aus einem anderen Bundesland.  

Freie und offene Geodaten, die zunehmend über geeignete Schnittstellen verfügbar sind, sowie Open Source Software und skalierbare Cloud-Infrastrukturen erlauben es in Zukunft KI-Anwendungen zu skalieren und diese ohne großen Aufwand auf große Gebiete und viele Themen anzuwenden.

 Autor/innen:

Dr. Jonas Bostelmann, Valentina Schmidt
Initiiert durch den BTB-Bundesarbeitskreis Vermessung vertreten durch Hermann Gossel (NDS)  


Der BTB setzt sich ein:

Auf allen Qualifikationsebenen, ob bei ausgebildeten Vermessungs-techniker/innen und Geomatiker/innen oder bei Vermessungsingenieur/innen werden aktuell dringend Nachwuchskräfte für den öffentlichen Dienst gesucht.

Bundesweit sind in den Kommunen, den Ländern und den Bundesverwaltungen zahlreiche Stellen nicht besetzt. Dies ist ein Signal für die Politik in den Kommunen, Ländern und beim Bund, dass der öffentliche Dienst für Vermessungsfachkräfte attraktiver werden muss. Dies gilt sowohl für Berufseinsteiger über die Eingangsbezahlung als auch für weitere Karriereperspektiven in aktiven Dienstverhältnissen.

Am Tag der Vermessung und Geoinformatik ist es daher geboten, die Leistungen und Verdienste der öffentlichen Vermessungsverwaltungen und der geodätischen Institutionen herauszustellen und für diese spannende Aufgabe bei jungen Menschen zu werben. 

Bericht als PDF